Endlich war es soweit! Der Mont Ventoux – der seit Ewigkeiten auf meiner Bike-to-do-Liste stand. Immer wieder musste ich ihn verschieben – Wetter, Verpflichtungen, irgendwas kam immer dazwischen. Doch Anfang September ergab sich das perfekte Zeitfenster: ein langes Wochenende, und laut Wetterbericht endlich gute Bedingungen. Mittwochabend stand fest: Das ist die Chance! Mein Herz schlug höher, während wir das Auto packten, und am Donnerstag ging es dann los – 700 Kilometer in Richtung Bédoin und dem lang ersehnten Abenteuer entgegen.
Und eins war klar: Wenn wir den Mont Ventoux fahren, dann richtig! Das Ziel war, alle drei asphaltierten Anstiege zu meistern und damit dem „Club des Cinglés du Mont Ventoux“ beizutreten. Ein Traum, der mich seit Langem nicht losliess.
Der Aufbruch ins Abenteuer
Freitagmorgen, fünf Uhr. Die Dunkelheit umhüllte uns noch, die Luft war kühl – und ich war hellwach. Es war dieser besondere Moment, wenn alles möglich scheint. Also: anziehen, Verpflegung einpacken, Lichter an, und los ging’s! Auf der ersten Etappe war der Berg uns fast ganz allein – nur zwei andere Rennradfahrer hatten dasselbe Ziel wie wir. Der Anstieg zog sich, 21,5 Kilometer und 1620 Höhenmeter, die ersten Kilometer durch dichten Wald, still und voller Spannung. Und dann – dann brach das erste Morgenlicht durch die Bäume. Oben angekommen, lag der Sonnenaufgang in seiner ganzen Schönheit über uns. Der Wind wehte kräftig auf den letzten Kilometern, aber das Gefühl, das erste mal hier oben zu sein, einfach einmalig!
Oben verweilten wir kurz, genossen den Moment, bevor es in die Abfahrt nach Malaucène ging. Der Wind peitschte uns entgegen, die Kälte kroch unter die Jacken – und trotzdem war jede Kurve ein Genuss. Unten angekommen, holten wir uns den ersten Stempel im Veloshop. Noch voller Adrenalin starteten wir in den zweiten Anstieg: 21,2 Kilometer, 1570 Höhenmeter. Jetzt waren schon mehr Radfahrer unterwegs, und der Zauber der frühen Stille war verflogen, aber meine Motivation wuchs weiter mit jedem Pedaltritt.
Der Wind machte sich auch hier erst auf den letzten Kilometern bemerkbar, als der Anstieg offener wurde. Der Weg von Malaucène ist landschaftlich vielleicht nicht der spektakulärste, aber jeder Höhenmeter bringt einen näher an das Ziel. Und als wir oben ankamen, war die Freude riesig – aber wir wollten uns nicht lange ausruhen, oder zumindest ich ;). Die Abfahrt nach Sault wartete auf uns, und so ging es ohne Zögern weiter. Der Wind machte auch diese Abfahrt frisch, aber mein Kopf war voller Vorfreude auf das Finale.
Letzter Anstieg – fast geschafft!
In Sault angekommen, gönnten wir uns die erste richtige Pause, holten uns den Stempel und dazu ein frisches Sandwich aus der Bäckerei. Und als wir uns umschauten, entdeckten wir die beiden Rennradfahrer, die am Morgen mit uns in Bédoin gestartet waren – ein Wiedersehen unter Gleichgesinnten.Der Dritte und letzte Anstieg wartete auf uns. Von Sault aus ist der Anstieg etwas länger (25,8 km), dafür weniger steil – „nur“ 1210 Höhenmeter. Doch mein Körper war müde, und die ersten Kilometer waren schwer. Der Magen kämpfte mit dem Sandwich, und jeder Tritt fühlte sich an wie eine kleine Ewigkeit. Aber ich kenne das von mir, das ich einfach länger brauche zum Verdauen. Also hiess es einfach weiter pedalieren.
Nach etwa 10 Kilometern fand ich meinen Rhythmus wieder, und die letzten Kilometer zogen wir das Tempo an. Die Abzweigung war erreicht – rechts ging es hoch zum Mont Ventoux, links runter nach Bédoin. Natürlich nahmen wir die letzten fünf Kilometer zum Gipfel ein zweites Mal in Angriff. Mit jedem Meter, den ich höher kam, wurde mir klar, dass ich es tatsächlich schaffen würde. Die Erschöpfung schwand, als das Glücksgefühl in mir aufstieg. Oben angekommen, holten wir uns den nächsten Stempel – und dann, ab in die Abfahrt zurück nach Bédoin. Vorbei an einer Schafherde, die seelenruhig die Straße überquerte, fuhren wir in den Ort, wo uns der letzte Stempel erwartete. Mein Traum war wahr geworden: Welcome to the Club des Cinglés du Mont Ventoux!
Bauchschmerzen, Müdigkeit und mein Kampf mit der Kältete 🙂 , all das war vergessen. Was blieb, war das Gefühl, etwas für mich Grosses geschafft zu haben. Der Mont Ventoux hat mein Herz erobert, und ich weiss, dass ich wiederkommen würde.
Bonus: Gorges de la Nesque
Am nächsten Tag war der Wind noch stärker, aber auf die Gorges de la Nesque wollten wir auf keinen Fall verzichten. Die Strecke war einsam und wild, der Wind tobte durch jede Kurve, aber die Landschaft war einfach überwältigend. Nach ein paar kleinen Dörfern ging es leicht bergab, und die Schlucht öffnete sich vor uns – ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Die Strasse führte uns sanft hinunter, und ich rollte einfach dahin, liess die Schönheit der Natur auf mich wirken. Es war einer dieser Momente, in denen man vollkommen im Hier und Jetzt ist.
Nach einem letzten Halt in Malaucène ging es zurück ins Auto und die 700 Kilometer lange Heimreise begann. Mein Herz bleibt jedoch in Frankreich: Ich komme wieder – Frankreich ist ein Paradies für Rennradfahrer, und ich habe noch viele Abenteuer vor mir.